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Noch steht sie, die Mauer, bewacht von zwei Vopos mit dem Gewehr im Anschlag. |
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Doch nicht mehr lange, denn Sparkassen-Vorstandmitglied Heinz Peter Kehrer, Landrat Jens Marco Scherf und Bürgermeister Dietmar Fieger sind wild entschlossen, sie niederzureißen. |
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Wie vor 25 Jahren in Berlin kommt es zum Mauerfall in Obernburg. |
„Vom Tigerkäfig der Stasi ins Licht der Freiheit“ heißt eine Ausstellung, die derzeit an zwei Orten in Obernburg zu sehen ist: In der Galerie der Kochsmühle und in der Geschäftsstelle der Sparkasse. Gezeigt werden die Werke des in Berlin lebenden Künstlers Gino Kuhn, der in beeindruckenden Bildern seinen Weg aus dem „Tigerkäfig“, der Isolationshaft für politische Häftlinge zu Zeiten der DDR, in das Licht der Freiheit beschreibt. Bei der Vernissage am Mittwochabend, die bilokal stattfand und einen außergewöhnlichen Rahmen hatte, wurden die Besucher vor dem Hintergrund des Mauerfalls vor 25 Jahren auf eine politische Zeitreise geschickt.
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Der Künstler Gino Kuhn erklärt seine Werke und Aktionen. |
Düstere Atmosphäre, Qual, Unterdrückung, Schmerz, Ohnmacht begegnen dem Besucher in der Galerie der Kochsmühle, dem „Kulturtempel der Stadt Obernburg“, wie es Bürgermeister Dietmar Fieger am Mittwochabend ausdrückte. Gino Kuhn hat seine eigenen Empfindungen aus der Zeit seiner Haft in Gemälden zum Ausdruck gebracht. Sie sind Spiegel seiner Seele. Der gebürtige Walldürner, bei der Vernissage persönlich anwesend, mahnte: „Ihr müsst das Licht der Freiheit schützen, damit es nicht erlischt. Gebt es unbeschadet an unsere Kinder weiter!“ und führte aus, die Staatssicherheit (Stasi) in der damaligen DDR habe versucht, „feindlich negative Kräfte“ zu brechen. Bei Kuhn war es den Machthabern trotz brutalster Vorgehensweise mit Isolationshaft im „Tigerkäfig“ und tagelangen Verhören nicht gelungen. „Ich bin gestärkt daraus hervorgegangen“, sagte er und unterstrich dies mit eindeutiger Körpersprache.
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Bedrückende Bilder als Spiegel der Seele. |
Landrat Jens Marco Scherf sprach von einem „beklemmenden Gefühl“, das ihn angesichts der ausdrucksstarken Bilder erfasst habe. „So etwas verlangt nach Respekt und Demut“. Er resümierte, dass diese Ausstellung das unmittelbare Verstehen ermögliche und man sich erst darüber klar werde, was Freiheit bedeutet, wenn man sich der Unfreiheit bewusst wird. „Melden Sie sich, um den Schülern das unmittelbare Verstehen zu ermöglichen“, forderte er die anwesenden Lehrer auf, sich einen Termin mit ihren Klassen für den Besuch der Ausstellung zu sichern. Für eine Vertiefung des bedrückenden Themas sorgte der freie Journalist und Autor Roman Grafe, der Passagen aus seinem Buch „Deutsche Gerechtigkeit – Prozesse gegen DDR-Grenzschützen und ihre Befehlsgeber“ las. Er führte den Besuchern die Boshaftigkeit der DDR-Machthaber und die Ohnmacht der ihnen Ausgelieferten vor Augen: Todesschützen, die mit Stoßfeuer auf Flüchtlinge zielten, waren mit Medaillen „für vorbildlichen Grenzdienst“ ausgezeichnet worden. Die Verantwortlichen, die nach dem Mauerfall vor Gericht gestellt wurden, kamen mit milden Strafen davon.
Begleitet von jazzig-bluesigen Klängen der Obernburger Musikschul-Rockband „Wallstreet under“ ließen die Vernissage-Gäste Worte und Eindrücke nachklingen, bis Kulturreferentin Gabriele Schmidt dazu aufforderte den Ort zu wechseln. Im Schweigemarsch ging es durch die Gassen der Altstadt zur Sparkasse. In der Badgasse fiel der Blick auf einen jungen Mann mit einem Gewehr im Anschlag in der Uniform eines Volkspolizisten (Vopo). Beim Einbiegen nach links in die Obere Gasse hinderte eine Mauer am Weitergehen. Zwei weitere Vopos standen davor. „Was für ein Leben…, wo alles erfriert! Wir sind das Volk – reißt die Mauern ein!“ deklamierte die Schauspielerin Petra Hofmann. Aus den Lautsprechern erklang „Wind of Change“.
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Bunt und farbenprächtig sind Kuhns Bilder, die das Licht der Freiheit widerspiegeln. |
Sparkassen-Vorstandmitglied Heinz Peter Kehrer, Landrat Jens Marco Scherf und Bürgermeister Dietmar Fieger bekamen je einen Hammer in die Hand gedrückt und Bauhelme überreicht, die sie sich auf die Köpfe stülpten. Mit Schwung machten sie sich daran, die Mauer niederzureißen. Unter Beifall des Publikums zum Obernburger Mauerfall ging es dann über die Mauerreste in Richtung Sparkassengebäude, wo jeder Teilnehmer von Petra Hofmann auf dem Weg einen „Hunni“ – einen nachgedruckten (unechter) 100-Markschein -als Begrüßungsgeld überreicht bekam. „Sind das wirklich Bilder von Gino Kuhn?“ fragte eine Besucherin und zeigte auf ein farbenprächtiges Gemälde mit Blüten und strahlender Sonne. Ihre Frage war als rhetorisch zu bewerten, denn es sind die Bilder, die sich mit dem Thema „Licht der Freiheit“ befassen und die als Kontrast zum „Tigerkäfig“ die Leuchtkraft und Weite der Natur ausdrücken. Gunnar Hupe (Querflöte) und Florian Wöber (Gitarre) schufen mit federleichter Musik den passenden musikalischen Rahmen zum zweiten Teil der Vernissage.
Geöffnet ist die Ausstellung in der Kochsmühle bis 19. Oktober von Freitag bis Samstag von 16 bis 18 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 14 bis 18 Uhr. Führungen – auch für Schulklassen – können beim Kulturreferat des Landkreises Miltenberg, Telefon 09371 501-506, kultur@Lra-mil.de terminiert werden. Die Bilder zum Zyklus „Licht der Freiheit“ in der Obernburger Geschäftsstelle der Sparkasse sind zu den üblichen Geschäftszeiten anzusehen.
„Vom Tigerkäfig der Stasi in das Licht der Freiheit“
Der 1955 in Walldürn geborene Künstler Gino Kuhn ging 1974 nach Westberlin, engagierte sich in Fluchthilfeorganisationen und wurde durch einen Verrat 1975 in der DDR zu sechs Jahren Haft verurteilt. Nach Isolation und Zwangsarbeit wurde er 1978 von der Bundesrepublik freigekauft, 1990 rehabilitiert und als politischer Häftling anerkannt. „Meine Bilder sollen ein Mahnmal sein und widerspiegeln, welchen entwürdigenden Haftbedingungen wir ausgesetzt waren. Da ich in Worten nicht ausdrücken kann, was geschehen ist, sollen meine Gemälde und Zeichnungen von dauerhaft zeitlosem Rang sein und das persönliche Trauma ins Licht der Öffentlichkeit stellen“. Diese Bilder sind in der Galerie der Kochsmühle ausgestellt. Als Ausgleich und Kontrast malt Gino Kuhn „in der freien Natur, wo ich das Licht, den Wind, die Sonne und die Jahreszeiten fühlen kann“. Seine Auswahl an farbenfrohen Impressionen aus Italien und der Region sind im Foyer der Sparkasse zu sehen. Die Bilderschau ist eine Kooperation von Landratsamt, Stadt Obernburg und der Sparkasse Miltenberg Obernburg.
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