Dienstag, 11. November 2014

Fulminante Inszenierung von Carmen - Stehende Ovationen in der Obernburger Stadthalle

Dramatische Szenen wie hier mit Micaela (Claudia Appiani), Don José (Omar Garrido) und Carmen (Lucy Schneider) prägen die Aufführung von Carmen in der Obernburger Stadthalle. 

Es war ein kleiner Skandal, als Bizet im Jahr 1875 seine Oper Carmen uraufführte und mit der Geschichte einer „Femme fatal“ und selbstbewussten Frau aus einem unterprivilegierten Milieu die Gemüter erregte. Heute ist Carmen eine der meist aufgeführtesten Opern der Welt und begeisterte auch bei der Premiere am Samstagabend in der voll besetzten Obernburger Stadthalle das Publikum.

In einer Halle, die sich nicht gerade durch hervorragende Akustik auszeichnet und auf einer Bühne, die eigentlich viel zu klein für die Aufführung einer Oper wie Carmen ist, hatten die Sopranistin und Gesangslehrerin Claudia Appiani als Regisseurin und Dirigent Holger Blüder als musikalischer Leiter das Bestmögliche herausgeholt. Zwar gab es zum Ende des zweiten Aktes einige technische Probleme, wo das Knistern und Knacken über die Lautsprecheranlage den Genuss etwas trübte, doch wurde das Manko durch musikalische und darstellerische Höhenpunkte nach der Pause wieder ausgemerzt. Schließlich muss man bedenken, dass es sich bei den Mitwirkenden überwiegend um Laien handelte, die sich neben ihrem Beruf im Verlauf von 11 Monaten während vieler Proben auf die Aufführung vorbereitet und viel Freizeit investiert hatten.

Etwas ungewöhnlich mutete die Besetzung in den Stimmlagen an. Die Carmen wird in der Regel von Mezzosopranistinnen gesungen, wo schon im Timbre viel Erotik und Lasterhaftes mitschwingt. Wenn die wunderbare Habanera-Arie von einer Koloratursopranistin wie Lucy Schneider in einer lyrischen Stimmfarbe gesungen wird, hat das zwar einen lieblicheren Klang, ist aber nicht weniger reizvoll. Wenn der Tenor Bernhard Oberländer als Escamillo „Auf in den Kampf, Torero“ schmettert, wo sonst Bariton-Sänger für diese Rolle eingesetzt werden, macht das nur in der Stimmlage einen Unterschied, nicht aber in der Qualität. Ganz davon abgesehen, dass allein schon die temperamentvolle Musik mitreißt.

„Auf in den Kampf, Torero“ , die berühmte Arie des Escamillo, gesungen von Bernhard Oberländer.
Als Don José überzeugte der aus Mexico stammende Tenor Omar Garrido, der in der Schlussszene sowohl darstellerisch als auch stimmlich glänzte. Claudia Appiani, die nicht nur Regie führte und als Vocal-Coach fungierte, sondern übernahm auch die Rolle der Micaela. Sie setzte die berühmte Arie, wo sie in den Bergen nach José sucht, musikalisch hochemotional um. Neben den übrigen Darstellern und Sängern überzeugte auch der Chor von „intakt“ durch feinfühlige Begleitung und stimmliche Qualität.

Holger Blüder dirigierte die Oper schmissig und mit Tempo. Besonders erwähnenswert: Die Ouvertüre und das Vorspiel zum dritten Akt der Oper gerieten ihm und dem Sinfonieorchester der Musikschule glänzend. Das zeigte einmal wieder mehr, welch einen hervorragenden Klangkörper dieses vorwiegend aus Laien zusammengesetzte Ensemble aufzuweisen hat und wie Holger Blüder die Musiker motivieren kann. Das Publikum war hingerissen und quittierte die Premiere mit minutenlangem Applaus und stehenden Ovationen. Am Sonntag, 9. November war die zweite Aufführung, wiederum ausverkauft und noch begeisternder als die Premiere. 
Die beiden Macher: Regisseurin und Darstellerin der Micaela Claudia Appiani, Dirigent und musikalischer Leiter Holger Blüder
Ruth Weitz

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