Die Freude ist groß, als Harry und Jakob (links) den Mühlstein von Jürgen Tillack entgegen nehmen, daneben Alicja Heldt, Vinzent Binders und René Sydow, die ihren Kollegen applaudieren. |
Es war keine leichte Entscheidung, die das fünfköpfige
Jurorenteam am Samstagabend in der Obernburger Kochsmühle zu treffen hatte.
Beim diesjährigen Wettbewerb um den Obernburger Mühlstein mit insgesamt fünf
Beiträgen von sechs Nachwuchskabarettisten wurde eine Menge Hochkarätiges
geboten. Doch letztlich waren sich Publikum und Jury einig: Den 15 Kilo
schweren Kleinkunstpreis durfte das Duo Harry und Jakob mit nachhause nehmen. Die beiden Künstler reimten sich mit Witz,
Schlagfertigkeit und überzeugender
Performance in die Riege der mittlerweile 24 Mühlstein-Preisträger.
Mit ihren witzig gereimten Versen und einem gekonnten Auftritt überzeugen Harry Kienzler und Jakob Nacken als Harry& Jakob beim diesjährigen Kabarettwettbewerb um den Obernburger Mühlstein. |
Spritzige Verse in vollendeter Metrik
Harry Kienzler und Jakob Nacken sind keine Unbekannten in
der Kleinkunstszene. Mit ihren spritzigen Versen, die sie sich in vollendeter
Metrik im Schlagabtausch zuwerfen, holten sie sich schon den baden-württembergischen
Kleinkunstpreis. Am Samstagabend brillierten sie nicht nur mit ihrer gereimten Schauerballade
von Hirsch und Jäger und einfallsreichen Pointen. Sie begeisterten zudem mit
Spontanität und aus der Hüfte geschossener Improvisation. So schufen sie Spontanreime auf Zuruf ein
Epos in mehreren Strophen mit dem
vorgegebenen Satz „Obernburg liegt am Main“ und den eingestreuten Reimworten
„Versäumnisurteil“ und „Xylophon“. Der letzte Satz, „Obernburg, du bist mein
Glück“, erwies sich als Omen. Als Jürgen
Tillack vom Vorstand des Kochsmühlenvereins das Ergebnis der Juryentscheidung
und der Publikumsauswertung bekannt gab und Harry und Jakob den gewichtigen
Preis übergab, war das Glück der beiden perfekt.
Beinhartes politisches Kabarett bietet René Sydow. |
Fee Badenius, die im vergangenen Jahr den Wettbewerb in der
Kochsmühle gewonnen hatte, führte charmant und liebenswert-frech durch den
Abend, umrahmte die Moderation mit pfiffigen
Liedern über die Liebe und das Leben und
verkürzte das Warten auf die Entscheidung aufs Angenehmste. Von den Künstlern,
die sich am Samstagsabend um die Gunst des Publikums und der Jury bewarben,
wird man in Zukunft sicher noch mehr zu erwarten haben. Zum Beispiel von René
Sydow, der mit einem Ausschnitt aus seinem Programm „Gedanken!Los“
intelligentes und messerscharfes politisches Kabarett bot. Seine Zunge benutzte
er als Florett, mit der er sich durch die politischen Ränkespiele focht. Vom
transatlantischen Freihandelsabkommen bis zu Waffengeschäften in Krisengebiete,
von dümmlichen Fernsehsendungen („Jetzt ist mir klar, warum Fernsehen auch
Kanal heißt“) bis zu Ursula von der Leyens Schmallippigkeit und Dirk Niebels Verbandelung
mit Rheinmetall gestaltete er einen Parforceritt durch die
bundesrepublikanische Polit-Szene.
Eine gehörige Portion Georg Kreisler blitzte bei Vinzent
Binders durch. Der junge Österreicher überzeugte durch seine bitterbösen
Liedtexte über den politischen Irrsinn und die tumbe Trägheit der Gesellschaft. In einem seiner Lieder beklagte er, dass er
als Veganer keine Chance hat, in eine rechtsradikale Partei aufgenommen zu
werden: Veganer werden immer in die politisch linke Ecke gestellt! – Selbstredend
als beinharte Satire zu verstehen. Die Hamburger Deutsch-Polin Alicija Heldt
präsentierte deftige Comedy, die dann richtig gut gefiel, als sie auf ihre
anfangs inflationär eingestreuten zotigen Wortschöpfungen verzichtete. Wenn sie
zu bildhaften Vergleichen wechselte, um die Unterschiede zwischen Mann und Frau
aufzudröseln und Vorurteile als Schwachsinn zu entlarven wie „Alle Polinnen
sind blond, haben hohe Wangenknochen und eine Stupsnase“, mit den Augen rollte
und echte Empörung zeigte, weil mit dunklen Haaren und ausgeprägtem Riechorgan
ausgestattet, war sie glaubwürdig und witzig zugleich.
Macht’s Georg Kreisler nach: Nachwuchkabarettist Vinzent Binders. |
Alicja Heldt klärt über die Unterschiede zwischen Mann und Frau auf. |
Ein Schweizer mit Esprit
Als Schweizer, die in der Regel mit einem Gelassenheits-Gen
ausgestattet sind und nicht gerade zu den Turbo-Artikulierern zählen, zeigte
Alan Frei erfrischenden Esprit. Mit einer Spur Selbstironie und der Fähigkeit,
aus dem Stand eine Pointe zu entwickeln und auf Zwischenrufe aus dem Publikum
zu reagieren, erntete er viele Lacher und Zwischenapplaus. Den Status der
Eidgenossen, nicht zu den Schnellsten zu zählen, kleidete er in Kalauer.
Bezogen auf das Tempolimit auf Autobahnen in der Schweiz sagte er: „In
Deutschland wird man geblitzt, in der Schweiz gemalt“.
Alain Frei ist kein Turbo-Artikulierer, aber ein flotter Schweizer. |
Das Resümee des Abends: Drei Stunden gute Unterhaltung mit
putzmunteren Kleinkünstlern, von denen man noch mehr sehen und hören möchte.
Schlussendlich mit dem Duo Harry und Jakob ein würdiger Gewinner des
Obernburger Mühlsteins.
Hintergrund: Der
Obernburger Mühlstein
Der Obernburger Mühlstein wird seit 1989 vom Arbeitskreis
Kul-Tour, dem Trägerverein der Kabarettbühne in der Obernburger Kochsmühle,
ausgelobt. Parallel dazu erhält das Publikum die Chance, seinen Favoriten zu
wählen. Den ersten Obernburger Mühlstein erhielt Bernd Vogel, Publikumsliebling
wurde damals Günter Grünwald. 15 Kilogramm wiegt der Preis, den eine fünfköpfige
Fachjury vergibt. Bisher waren sich Publikum und Jury bei der Bewertung
insgesamt zehnmal einig. Aktuell bei Harry und Jakob, die mit ihrem gereimten
Schlagabtausch sowohl bei den Gästen als auch bei den Fachjuroren die meisten
Punkte sammelten. Sie werden im kommenden Jahr ihr vollständiges Programm in
der Kochsmühle zeigen und die Moderation beim nächsten Kabarettwettbewerb um
den Obernburger Mühlstein übernehmen.
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